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Innovator of the month – Dr. Moritz Högner (alloqis)

Dr. Moritz Högner, Mitgründer und Geschäftsführer von alloqis, zeigt, wie industrielle Planung mit digitalen Zwillingen, KI und Optimierung zur echten Ressourcenintelligenz wird. Im Gespräch mit Anne Dröge geht er auf den feinen Ausgleich zwischen Profit und CO2, ein ausgezeichnetes Siemens-Projekt, die Datenrealität und die menschliche Dimension der Priorisierung ein – und skizziert, warum Serienfertiger von Automotive OEMs bis Werkzeugbauer vom Schritt weg von Excel und Trial-and-Error hin zu kontinuierlicher, skalierbarer Optimierung profitieren.

 

Das ausführliche Interview gibt es zum Hören auf unserem bwcon Podcast Kanal >>

 

 

Anne Dröge: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des „Innovator of the Month“. Wir haben heute Dr. Moritz Högner, Mitgründer und Geschäftsführer von alloqis, zu Gast. Bei alloqis geht es darum, Ressourcenintelligenz zu steuern, und darüber möchten wir heute gerne mehr erfahren. Schön, dass du da bist, Moritz. 

Moritz Högner: Guten Morgen zusammen. Besten Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr über die Auszeichnung. 

 

Anne Dröge: Gerne. Erzähl doch mal: Worum geht’s bei alloqis? 

Moritz Högner: Wir helfen Herstellern dabei, die verfügbaren Ressourcen, die in ihrem Zugriff liegen, optimal einzusetzen. Das heißt konkret, maximalen Nutzen daraus ziehen, typischerweise immer in Kombination mit höchstmöglichem Profit aus dem, was sie aktuell zur Verfügung haben. Man hat ja gerade wieder in der Zeitung gelesen, dass China zum Beispiel den Zugang auf seltene Erden beschränkt. Das ist natürlich eines der möglichen Felder, auf welches das maximal einzahlt. 

 

Anne Dröge: Jetzt ist für mich so ein bisschen die Frage: Was sind eure typischen Kunden? Auf welche Kunden konzentriert ihr euch und welche Ressourcen stehen im Fokus? Du hast gerade schon eine genannt, aber vielleicht gibt es noch ein paar mehr. 

Moritz Högner: Ja, definitiv. Unsere Kunden und das Segment, auf das wir uns konzentrieren, sind erst mal Hersteller, die in großer Serie fertigen. Wir sind im Moment am aktivsten bei den OEMs im Automobilbereich. Unsere Zielkunden sind Fahrzeughersteller sowie Hersteller von Werkzeugen und Maschinen. Das sind alles Unternehmen, die auf Bändern in größeren Serien produzieren und eine gewisse Komplexität mitbringen – zum Beispiel durch verschiedene Produktionsstandorte und verschiedene Märkte, wodurch sich ein komplexes Netz aufspannt, auf das man unsere Optimierung ansetzen kann. 

 

Was die Ressourcen angeht: Im Automobilsektor werden Co2-Emissionen sehr konkret gemessen und verknappt, was sie effektiv zu einer knappen Ressource macht. Genauso können wir aber auch den Cashflow, der aus den Warenströmen resultiert, als knappe Ressource auffassen und die Optimierung darauf ausrichten, die Produktion möglichst Cashflow-schonend zu betreiben. Das geht von sehr physischen Ressourcen bis hin zu sehr abstrakten Ressourcen, die man betrachten kann. 

 

Anne Dröge: Und jetzt stellt sich natürlich die Frage: Wie funktioniert das Ganze? Was tut ihr da genau, um das zu erreichen? 

Moritz Högner: Der Hintergrund ist die Modellierung der Warenströme und der Geldströme. Man könnte sagen, wir setzen den digitalen Zwilling auf, der modelliert, wie die Waren eines Unternehmens fließen. Daran sind die Geld- und Wertströme geknüpft, die typischerweise den Warenströmen folgen. Wir modellieren diese beiden und setzen darauf Szenarien auf, die die Gegenwart erfassen und in die Zukunft fortschreiben, um die Ströme zu optimieren und auf verschiedene Ziele auszurichten. 

 

Das Zusammenspiel sieht dann so aus, dass der Planer in zwei Feldern aktiv ist: Zum einen setzt er die Grenzen (Kapazitäten, Limits im Sinne von Cashflow, Bestand oder Volumen). Auf der anderen Seite setzt er die Ziele und deren Gewichtung innerhalb des erlaubten Bereichs fest. Der Output ist dann ein konkreter Plan mit einem Vorschlag, was produziert wird, wann und für wen, und zu welchem Preis es wann auf welchem Markt angeboten wird. 

 

Anne Dröge: Kannst du es uns ein bisschen greifbarer machen anhand von einem Projekt, das einen signifikanten Impact erzielt hat? 

Moritz Högner: Aus den aktuellen, laufenden Projekten kann ich jetzt keine Details preisgeben. Aber wir haben mit Siemens in der Tech for Sustainability Challenge ein Projekt aufgesetzt, das gut illustriert, was wir tun. Dort war die Fragestellung: Wie kann ich Co2-Emissionen und Profitabilität gegeneinander abwägen und bestmöglich in Einklang bringen? Es ging um die Abwägung beim Einkauf von Teilen und Materialien, da diese einen unterschiedlichen Co2-Fußabdruck und natürlich einen unterschiedlichen Preis haben. 

 

Ein klassischer Trade-off: Wenn du Komponenten in Ländern einkaufst, wo sie billig sind, aber weit herkommen, zahlst du vielleicht weniger, hast aber einen höheren Co2-Fußabdruck. Es geht darum, wo es sich lohnt, einen höheren Preis zu zahlen, um relativ viel Co2 einzusparen zu geringen Mehrkosten, und wo es sich lohnt, den Kostenvorteil einzugehen, auch wenn du dafür ein bisschen deine Co2-Bilanz belastest. 

 

Wir haben gezeigt, dass man diesen Trade-off mit unserem Algorithmus sehr gut fahren kann. Die Extreme sind dabei nicht die richtige Antwort. Es ist absurd, wegen ein paar Cent Teile um die ganze Welt zu schippern. Aber die Variante mit dem niedrigsten Fußabdruck am anderen Ende kehrt die Marge ins Negative. Es geht darum, die optimale Balance zu finden. Wir sind als Gewinner aus der Challenge hervorgegangen, weil wir zeigen konnten, dass die Optimierung auch in diesem Inbound-Teil, also auf der anderen Seite der Wertschöpfungskette, gut funktioniert. 

 

Anne Dröge: Ist das eine hochprofitable Geschichte? 

Moritz Högner: Ja, tatsächlich. Der Hebel geht ja über den Gesamtumsatz und den Gesamtgewinn. Selbst wenn die Verbesserungen im kleinen Prozentbereich liegen, kommen schnell sehr hohe Beträge heraus, weil du eine Verbesserung des Profits direkt auf dein Jahresergebnis aufschlagen kannst. Es lohnt sich eigentlich immer, und typischerweise hast du einen Return, der sich schon im ersten Jahr ins Positive dreht. 

 

Anne Dröge: Wie lang sind diese Projekte typischerweise? Kommt ihr da einmal, macht die Optimierung, und dann geht ihr wieder? 

Moritz Högner: Die Lösung ist, wenn wir sie implementiert haben, immer im Dauereinsatz. Die Planung wird ständig überschrieben. Du musst deinen Plan regelmäßig neu bewerten – mindestens mal jeden Monat neu, manche machen das jede Woche. Das ist nie ein Einmaleinsatz, sondern ein laufender Prozess des Aufbaus dieser Optimierungskompetenz. Typisch ist, dass wir mit einem kleinen Modul anfangen, das den größten Einfluss auf die Ergebnisse hat. 

 

Anne Dröge: Jetzt seid ihr aktuell sehr auf den Industriesektor fokussiert. Ist es denkbar, auch andere Branchen damit zu beglücken? 

Moritz Högner: Ja, durchaus. Die Abwägung von konkurrierenden Zielen, wie im Beispiel mit Co2 und Marge, spielt auch im Handel eine Rolle. Du hast diese Abwägung von konkurrierenden Zielen in vielen Branchen . Wir sehen gerade, dass es auch durchaus viele verwandte Use Cases innerhalb derselben Branchen gibt. 

 

Anne Dröge: Wie gut ist die Datenqualität? 

Moritz Högner: Nie perfekt, oft widersprüchlich. Das gehört bei allen Projekten zum Alltag. Die Entscheidungen, die wir optimieren, werden schon heute getroffen, mit den Daten, die da sind. Die Planung wird mit den besten Informationen getroffen, die eben da sind. Technisch begegnen wir dem mit verschiedenen Sicherheitsnetzen: Wir bereinigen und bereiten die Daten auf und ziehen so aus verschiedenen Quellen das Beste an verfügbaren Informationen. Am Ende trifft die Optimierung die besten Entscheidungen auf Basis der Infos, die aktuell bekannt sind, so wie wir Menschen es auch tun. 

 

Anne Dröge: Was sind die häufigsten Stolpersteine in euren Projekten?  

Moritz Högner: Tatsächlich liegt vieles davon auf der menschlichen Seite. Konkurrierende Ziele bedeuten oft, dass unterschiedliche persönliche Zielsetzungen im Unternehmen verteilt sind. Wir machen das sehr transparent und spitzen diese Trade-offs stark zu, indem wir sagen: Ihr habt hier einen Schieberegler. Unsere Lösung quantifiziert, wie sich die KPIs gegenseitig kannibalisieren. Wir können die Frage stellen: Bist du bereit für eine Bestandsverbesserung auf so und so viel Volumen zu verzichten? Die grundlegende Abwägung zwischen verschiedenen Zielen muss aber im Unternehmen geklärt werden. Auf diese Frage stoßen wir eigentlich früher oder später immer.  

 

Anne Dröge: Die Gründung von alloqis war ja auch eine Entscheidung für dich, aus einem anderen Kontext rauszugehen. Was hat zu dieser Entscheidung geführt?  

Moritz Högner: Ich komme aus einer Historie, wo ich für einen OEM eine Digitaleinheit aufgebaut habe, um digitale Lösungen für Business-Probleme zu entwickeln. Die Entscheidung, die wir dann getroffen haben, war, diesen Mechanismus umzudrehen: Wir wollten uns auf einen technischen Ansatz fokussieren, der in unseren Augen sehr vielversprechend ist. Diesen wollten wir so gut machen, dass er in der Breite Mehrwert stiften kann. Wir wollten wegkommen vom individuellen Neubauen hin zu einer Lösung, in die man investiert und die man dadurch auf ein Qualitätsniveau bringt, sodass man dieses Problem in der Breite adressieren kann.  

 

Anne Dröge: Wer steht alles hinter alloqis?  

Moritz Högner: Meine zwei Mitgründer & ich hatten schnell eine gemeinsame Vision, was wir erreichen und aufbauen wollen. Außerdem bringen wir Industrieerfahrung aus der Historie vor alloqis mit, kennen unsere Kunden von innen und wissen, wie die Prozesse funktionieren. Wichtig ist, dass wir sehr komplementär sind, was die Kompetenzen angeht. Beim Aufbau von Mitarbeitern achten wir ebenfalls darauf, nicht mehr vom Gleichen zu suchen, sondern ergänzende Kompetenzen und Profile reinzuholen.  

 

Anne Dröge: Was ist in fünf Jahren mit alloqis?  

Moritz Högner: Für uns steht die Mission im Vordergrund, dass man Planung über Algorithmen im Zusammenspiel mit Menschen deutlich besser machen kann, als mit herkömmlichen Methoden. Wir wollen in der Breite der Industrie wegkommen von der Planung in Excel und über Trial And Error. Wir nutzen neue Technologien, KI und Optimierungen, um das im Zusammenspiel zu machen. Das bietet ein Riesenpotenzial in der Industrie.  

 

Anne Dröge: Welche Erwartungen hast du an Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, damit solche Technologien, wie ihr sie habt, den entsprechenden Wirkungsgrad erreichen?  

Moritz Högner: Den ersten Schritt müssen die Unternehmen selbst gehen. Das Wichtigste ist: weniger planen und besprechen, sondern ausprobieren. Die Voraussetzungen dafür müssen geschaffen werden, damit Ausprobieren möglichst effizient und schnell abläuft. Die Hürden liegen oft in den Unternehmen selbst, etwa wie lange eine Beauftragung braucht oder welche Assessments man vorher machen muss. Ein Proof of Concept, der technisch in Wochen gemacht wäre, kostet das Dreifache oder Vierfache der Zeit, weil er erst nach Monaten starten kann. Wenn wir den Zyklus schneller hinkriegen, können wir sehr viel schneller, innovativer und besser werden.  

 

Anne Dröge: Was braucht ein junger Gründer, um sein Thema voranzubringen?  

Moritz Högner: Du brauchst auf jeden Fall Durchhaltevermögen und Überzeugungskraft. Die größte Konkurrenz ist immer das Nichtstun: "Ich mache es weiter so wie bisher". Das ist der größte Konkurrent, dieses Denkmuster aufzubrechen und zu zeigen, dass es sich lohnt, etwas Neues zu probieren.  

 

Anne Dröge: Wie würden dich deine Mitgründer in drei Worten beschreiben?  

Moritz Högner: Ich glaube, ich bin jemand, der, wenn er überzeugt ist, dafür kämpft und dabeibleibt. Das Zweite ist die Freude an komplexen Fragestellungen – das teilen wir wahrscheinlich. Und das Dritte (was ganz Persönliches): Ich bin jemand, der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt.  

 

Anne Dröge: Wir machen ein kleines Entweder-oder-Spiel.  

Datenmodell oder Bauchgefühl? Datenmodell. 
Optimierung für Profit oder für Nachhaltigkeit? Beides. 
Start-up oder Konzern? Start-up. 
Algorithmen entwickeln oder beim Kunden implementieren? Implementieren. 
Remote oder Büro? Remote. 
Krimi oder Roman? Krimi. 
Kaffee oder Tee? Tee. 
Berggipfel oder Meeresrauschen? Berggipfel, ganz klar. 

 

Anne Dröge: Dann bedanke ich mich an dieser Stelle ganz arg, dass du heute Morgen hier Rede und Antwort gestanden bist, und freue mich, wenn wir uns bald mal wiedersehen. Ciao.  

 

 

Alle Innovators of the month im Überblick

Sie möchten noch mehr Erfolgsgeschichten von interessanten Persönlichkeiten lesen? Hier finden Sie einen Überblick über alle Innovators, die wir in den letzten Jahren interviewen durften. Auch die Regional Champions sind dort zu finden. Wer sich lieber die Audio-Aufzeichnungen der Innovators of the month anhört, findet im bwcon Podcast eine gute Auswahl :-)